Der Klassiker: Baedeker’s Tschechien

In unserer kleinen Reihe über Tschechien-Reiseführer wollen wir euch heute die aktuelle Ausgabe des Baedeker vorstellen. Ob er halten kann, was der traditionsreiche Name verspricht…?

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Der aktuelle Tschechien-Baedeker im Kreise seiner Vorgänger

Die böhmischen Länder – also Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien, die im Großen und Ganzen die heutige Tschechische Republik bilden – wurden vom Verlagsgründer Karl Baedeker erstmals bereits 1842 in seinem Handbuch für Reisende in Deutschland und dem Österreichischen Kaiserstaate behandelt. Später waren sie im Reisehandbuch für Österreich-Ungarn enthalten; in der 1910 erschienenen 28. Auflage war der entsprechende Abschnitt mit 76 Seiten freilich nicht allzu umfangreich.

Nach dem Zerfall Österreichs gab es zunächst keinen speziellen Tschechoslowakei-Baedeker, doch wurde ein großer Teil Deutschböhmens und die Hauptstadt Prag in den benachbarten Regionalbänden (Sachsen, Schlesien) mit beschrieben. Im und nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Tourismus natürlich weitgehend zum Erliegen, so dass sich der Verlag erst in den 1960er Jahren zu einer Neubearbeitung entschloss. Der Autoreiseführer Tschechoslowakei erschien 1968 allerdings zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da die vorsichtige Öffnung des Landes mit der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ abrupt beendet wurde.

Erst nachdem die Tschechoslowakei nach der „Samtenen Revolution“ im Jahre 1989 für (west-)deutsche Touristen als Reiseland deutlich an Bedeutung gewonnen hatte, erschien 1993 der mit 728 Seiten sehr umfangreiche und nach wie vor empfehlenswerte Baedeker Allianz Reiseführer Tschechische Republik – Slowakische Republik (später auch unter dem Titel Tschechien – Slowakei).

Im Jahre 2000 erschien dann als vollständige Neubearbeitung der Band Tschechien, der nunmehr in 7. Auflage vorliegt. An dieser Stelle dem Verlag Karl Baedeker herzlichen Dank für die Zurverfügungstellung des Rezensionsexemplars!

Das Reisehandbuch ist in fünf Hauptabschnitte gegliedert, die in übersichtlicher Weise farblich gekennzeichnet sind: Hintergrund (Landeskunde, Geschichte, Kultur etc.); Erleben und Genießen (Essen und Trinken, Shopping, Übernachten etc.); Touren (sechs Routenvorschläge); Reiseziele von A bis Z; Praktische Informationen.

In den einleitenden Abschnitten erfährt man eigentlich alles, was man als Tourist über Tschechien wissen muss, vieles wird durch farbige Illustrationen und Grafiken veranschaulicht. Besonders gelungen finden wir die Abschnitt über die Geschichte und die Kunstgeschichte des Landes.

Den Hauptteil des Buches macht natürlich (mit 296 von insgesamt 480 Seiten) die Beschreibung der Reiseziele und Sehenswürdigkeiten aus. Ein Pluspunkt ist hier die Auszeichnung einzelner Orte mit den berühmten Baedeker-Sternchen (*), wobei für Topreiseziele zwei Sternchen (**) vergeben werden.

Was die Auswahl der Reiseziele angeht, wurde leider im Vergleich zu früheren Auflagen und vor allem zur Ausgabe von 1993 recht stark gestrichen. So vermisst der Rezensent etwa die historischen Städte Bechyně, Šternberk und Moravská Třebová, die Burgen Křivoklát, Velhartice und Bítov oder das Kloster Porta Coeli – allesamt  Orte, die 1993 noch ein Baedeker-Sternchen besaßen! Auch den seit 2010 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden Schlosspark von Průhonice sucht man vergebens.

Die Gliederung des Abschnitts Reiseziele erfolgt von A bis Z, so dass zumindest die Hauptreiseziele schnell gefunden werden. Allerdings umfasst die alphabetische Anordnung nur 51 Städte bzw. Regionen; viele andere, weniger bedeutende Reiseziele sind bei den Hauptreisezielen als „Ziele in der Umgebung“ mitbeschrieben. Diese Vorgehensweise steht und fällt natürlich mit dem Vorhandensein eines vollständigen Registers, und hier hat der Verlag leider ziemlich geschlampt; um nur die *Sternchen-Ziele herauszugreifen, sind nämlich Český Šternberk, Duchcov, Jaroměř, Josefov, Karlova Koruna, Klášterec nad Ohří, Kynžvart, Osek, Ratibořice, Rokytnice nad Jizerou und Slavonice nicht im Register enthalten und damit mehr oder weniger unauffindbar. Die Sucherei gestaltet sich daher oft recht umständlich und ist zudem oft erfolglos.

Positiv zu vermerken ist, dass – anders als bei älteren Auflagen – bei den wichtigsten Sehenswürdigkeiten nunmehr Öffnungszeiten und Eintrittspreise angegeben sind und die gastronomischen Empfehlungen nicht mehr im letzten Kapitel, sondern direkt bei den betreffenden Städten aufgeführt sind.

Zur besseren Orientierung dienen 21 Innenstadtpläne sowie einige weitere Grundrisse und Lagepläne. Die Übersichtlichkeit der Pläne bewegt sich allerdings nur auf mittlerem Niveau, da auf die Verwendung von Signaturen (für Museen, Schlösser, Theater etc.) weitestgehend verzichtet wurde, keine deutliche Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenstraßen bzw. Fußgängerzonen erfolgt und keine Straßenbahnlinien eingezeichnet sind. Dafür sind neuerdings die empfohlenen Hotels, Gaststätten und Cafés in den Plänen verzeichnet. Die kontrastarme Darstellung mit vorherrschenden Grautönen ist sicherlich Geschmackssache.

Abgerundet wird der Band durch ein kurzes Kapitel mit praktischen Informationen; hier sind u. a. auch Literaturhinweise, hilfreiche Internetadressen und ein kleiner Sprachführer zu finden.

Dem Reisehandbuch beigelegt ist eine übersichtliche und gut gelungene Reisekarte im Maßstab 1:650.000, die auch insofern mit dem Führer korrespondiert, als auf ihr bei den betreffenden Orten ebenfalls die Baedeker-Sternchen vermerkt sind. Zudem ist im Buch bei den Hauptreisezielen angegeben, in welchem Planquadrat der Karte diese zu finden sind. Auf ein alphabetisches Ortsverzeichnis, das gut auf der Rückseite der Karte unterzubrigen gewesen wäre, hat der Verlag leider verzichtet.

Als Fazit lässt sich sagen, dass der Reiseführer im großen und ganzen solide Baedeker-Qualität bietet, jedoch hier und da einige Schwächen aufweist, die aber für Baedeker-Freunde kein Hindernis zum Erwerb des Buches sein sollten. Der recht hohe Preis von 24,99€ macht den Baedeker zwar zum teuersten aller derzeit verfügbaren Tschechien-Reiseführer, relativiert sich aber erheblich durch die beigelegte Reisekarte.

Wie alle Baedeker-Reiseführer ist auch der vorliegende Band bei eurem Buchhändler, aber auch versandkostenfrei im Baedeker-Online Shop erhältlich.

Die Zahl der Alternativen ist übrigens erstaunlich gering, da ernstzunehmende Tschechien-Reiseführer derzeit überhaupt nur noch vom Michael Müller Verlag und vom Trescher-Verlag angeboten werden (Rezensionen hier und hier); hinzu kommt allenfalls noch der DK Vis-à-Vis Reiseführer Tschechien & Slowakei, dem aber ein späterer Blogbeitrag vorbehalten ist!

Es grüßt euch vom Schreibtisch

Frank

 

 

 

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